Dies ist das allgemeine Positionspapier von Back on Track Europe, das im April 2024 einstimmig verabschiedet wurde.
Es ist auch als PDF-Dokument (auf Englisch) verfügbar.
Warum wir mehr Nachtzüge brauchen:
Züge sind das klimafreundlichste Verkehrsmittel, Flugzeuge das unfreundlichste. Im EU-Durchschnitt lag ihr tatsächlicher Ausstoß an Treibhausgasen (THG) im Jahr 2019 nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) 28 Mal höher als der Ausstoß von Personenfernverkehrszügen, einschließlich Nachtzügen.
Weil der Flugverkehr in absehbarer Zeit nicht dekarbonisiert wird
Obwohl die Luftfahrtbranche regelmäßig von „grünem“ Fliegen spricht, gibt es keinen wirklichen Weg dorthin. Die Kapazitäten für die Produktion „nachhaltiger Flugkraftstoffe“ sind verschwindend gering, und selbst wenn sie in größerem Umfang eingesetzt würden, bleibt das Fliegen im Vergleich zum Zug aufgrund der Nicht-CO2-Effekte um ein Vielfaches klimaschädlicher. Wasserstoff hat große ungelöste Probleme bei der Lagerung und dem Transport. Schließlich hat der batteriebetriebene Elektroantrieb einige begrenzte Fortschritte gemacht, aber selbst wenn man von einer kontinuierlichen Steigerung der Energiedichte von Batterien ausgeht, wird dies bis 2050 nur für sehr kurze Strecken (bis zu 500 km) ausreichen, die Kategorie, in der schnelle Tageszüge, wenn sie verfügbar sind, leicht mit der Luftfahrt konkurrieren könnten.
Nur Nachtzüge können Mittelstreckenflüge ersetzen
Für die meisten Kurz- (500 – 1.500 km) und Mittelstreckenflüge (1.500 – 3.500 km) sind Nachtzüge die beste Alternative, denn die meisten Menschen sind nicht bereit, 6 Stunden oder mehr ihrer Tageszeit in einem Zug zu verbringen. Der Vorteil von Nachtzügen ist während der Fahrt schlafen und eine Strecke von bis zu 2.000 km zurücklegen zu können – oder sogar bis zu 3.000 km, wenn Hochgeschwindigkeitsstrecken genutzt werden können. Wenn sie europaweit als Alternative zum Fliegen eingeführt werden, können Nachtzüge 3 % aller Treibhausgasemissionen der EU vermeiden.
Hochgeschwindigkeitszüge sind nicht die einzige Lösung
Der Bau neuer Strecken für Hochgeschwindigkeitszüge (für Geschwindigkeiten von 250 km/h und mehr) ist kostspielig und hat enorme Auswirkungen auf die Umwelt – daher kann dies nicht die allgemeine Lösung für den Personenfernverkehr sein. Wo es bereits Hochgeschwindigkeitsstrecken gibt, sollten geeignete Nachtzüge diese nutzen können. Der Ausbau des Nachtzugnetzes würde aber nicht unbedingt einen Ausbau des Hochgeschwindigkeitsverkehrs erfordern, der über das Schließen einiger Lücken hinausgeht. Der Ausbau aller bestehenden Hauptstrecken auf 160 bis 200 km/h (oder 230 km/h, sofern möglich) würde für die von uns angestrebte Erhöhung der Reichweite von Nachtzügen ausreichen.
Magnetschwebebahnen sind keine Alternative
Der Bau neuer Gleise für Hochgeschwindigkeitszüge ist bereits teuer, der Bau einer komplett neuen Infrastruktur für Magnetschwebebahnen würde noch mehr kosten. Magnetschwebebahnen haben keinen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber Hochgeschwindigkeitszügen, solange der Luftwiderstand nicht durch Vakuumtunnel („Hyperloop“) minimiert wird, was bisher nur unter Laborbedingungen einigermaßen gelungen ist. Die aktuellen Vorschläge zur Magnetschwebebahn dienen als Vorwand, um die Notwendigkeit von Investitionen in den Schienenverkehr in Frage zu stellen, und blockieren eher die Dekarbonisierung des Verkehrssektors, statt sie zu fördern.
Wie wir mehr Nachtzüge bekommen:
Das Wachstum des Flugverkehrs stoppen
Ohne Gegenmaßnahmen werden die Emissionen des europäischen Luftverkehrs weiterhin jährlich um 3% steigen. Selbst bei einer geringeren Wachstumsrate wird der Luftverkehr allein bis 2040 voraussichtlich mehr Treibhausgase ausstoßen als jeder andere Sektor, einschließlich der Energiewirtschaft. WÜrden die von uns geforderten Maßnahmen zur Verbesserung der Markt- und Finanzierungsbedingungen für Nachtzüge sofort umgesetzt, würde das die europäische Luftfahrtindustrie kaum gefährden. Es könnte lediglich dazu beitragen, dass sie und ihre Emissionen nicht weiter wächst.
Unser langfristiges Ziel:
Züge sollten billiger sein als Flugzeuge. Während Züge Energie- und Umsatzsteuereinnahmen generieren müssen und ihre Infrastruktur teilweise refinanzieren müssen, ist der Luftverkehr von den meisten Abgaben befreit. Diese Subventionsstruktur zugunsten des klimaschädlichsten Verkehrsmittels muss rückgängig gemacht werden. Das kann erreicht werden, indem man Flugzeuge weniger attraktiv macht oder Züge attraktiver macht. Wir fordern beides zu tun.
Unsere kurzfristigen Forderungen:
- Die Besteuerung von Kerosin mit allen geltenden Energiesteuern.
- Die Wiedereinführung der Mehrwertsteuer auf internationale Flugtickets.
- Die Ausweitung des Emissionshandelssystems, einschließlich der Nicht-CO2-Emissionen und der Auswirkungen.
- Die Beschleunigung des Entzugs der kostenlosen Emissionszertifikate für Luftfahrtunternehmen.
- Verwendung der zusätzlichen Einnahmen für den Bau von Bahnstrecken, die Finanzierung von Rollmaterial für Nachtzüge und deren Subventionierung, wo dies notwendig ist (siehe nächster Abschnitt)
Die ungerechte Benachteiligung von Nachtzügen beenden
Unser langfristiges Ziel:
Unser Ziel ist es, den Gesamtanteil der Schiene am Verkehrsmarkt zu erhöhen. Dies könnte auf verschiedene Weise erreicht werden: mit einer integrierten europäischen Staatsbahn oder mit einem echten europäischen Eisenbahnmarkt auf einem staatlichen Eisenbahnnetz. Derzeit haben wir jedoch unterschiedliche nationale Mischungen mit den schlechtesten Komponenten jedes Ansatzes.
Unsere kurzfristigen Forderungen:
- Schluss mit der Gleichstellung von Nachtzügen mit dem Personenverkehr am Tag. Nachtzüge (definiert als Züge, die über Schlafmöglichkeiten verfügen und vollständig in der Zeit von 00:00 bis 05:00 Uhr verkehren) müssen in Anhang VI der Richtlinie 2012/34/EU als obligatorisches Marktsegment gemäß Art. 32 erwähnt werden. Aufgrund ihrer derzeit mangelnden Fähigkeit zur Vollkostenfinanzierung beizutragen würde dies mit sich bringen, dass die Trassenpreise für Nachtzüge auf die direkten Kosten reduziert werden müssen.
- Darüber hinaus sollten die Trassenpreise für Nachtzüge nach belgischem Vorbild vorübergehend ausgesetzt werden, um Investitionen in die Ausweistung des Angbeots zu fördern.
- Die Mehrwertsteuer für Fahrkarten für internationale Nachtzüge muss in allen EU-Mitgliedstaaten auf 0 % festgesetzt werden – zumindest so lange, wie internationale Flüge von der Mehrwertsteuer befreit sind.
Verbesserung des Rollmaterials für Nachtzüge
Unser langfristiges Ziel:
Wir streben ein Netz moderner, attraktiver und leiser Nachtzüge an, das ganz Europa abdeckt und die Nachbarländer miteinander verbindet. Es sollte in der Lage sein, das Potenzial von mehr als 360 Millionen Fahrgästen pro Jahr aufzunehmen, die Nachtzüge unter vernünftigen Bedingungen in Betracht ziehen würden. Dafür brauchen wir neue, innovative Fahrzeuge, die die Privatsphäre und Sicherheit verbessern, ohne den Raum für Begegnungen mit Menschen aufzugeben, den Nachtzüge früher hatten. Das notwendige Rückgrat dafür sind rund 20.000 lokbespannte Wagen (oder Wagengruppen), die für Entfernungen von bis zu 1.500 Kilometern oder mehr und Geschwindigkeiten von bis zu 250 km/h gebaut werden. Um die bestehenden Hochgeschwindigkeitsstrecken nutzen und einige austauschbare Strecken im Entfernungsbereich von 1.500 und 3.000 km abdecken zu können, sollten diese durch rund 500 spezielle Hochgeschwindigkeitszüge ergänzt werden, die jeweils bis zu 800 schlafende Fahrgäste befördern können.
Unsere kurzfristigen Forderungen:
- Die ERA sollte beauftragt werden, einen technischen Go-Everywhere-Standard für Nachtzugwagen zu definieren, der es ihnen ermöglicht, mit einer Höchstgeschwindigkeit von mindestens 200 km/h auf Normalspurgleisen in der EU, Norwegen und der Schweiz zu fahren.
- Um die Zahl der Nachtzüge in der EU bis 2030 zu verdoppeln, muss die Europäische Union die Beschaffung einer Flotte von mindestens 1.000 Nachtzugwaggons (Schlafwagen, Liegewagen und Minikabinen) organisieren, die entweder im Rahmen einer Public Service Obligation oder als Open Access Angebot an Betreiber vermietet werden, die neue Strecken einrichten wollen. Die Investition von rund 2 Mrd. € soll von der Europäischen Investitionsbank (Green Rail Investment Platform) finanziert werden. Sie sollen in europäischen Fabriken hergestellt werden; ihre Standardisierung gewährleistet die besten Preise und schnellsten Ergebnisse. Die Eisenbahnunternehmen müssen jedoch weiterhin die Möglichkeit haben, ihr eigenes Nachtzug-Rollmaterial mit unterschiedlichen Konzepten zu kaufen und zu betreiben.
Bessere Betriebsbedingungen für Nachtzüge
Unsere langfristigen Ziele:
Die Einführung eines einheitlichen technischen Standards für das europäische Eisenbahnsystem, der auf 25/15 kV Wechselstrom, Normalspur und ETCS basiert, sollte eine gemeinsame Anstrengung aller Mitgliedsstaaten sein.
Sprachliche Anforderungen sind heute nicht das drängendste Problem, aber sobald der internationale Verkehr an Bedeutung gewinnt, würde es den Nachtzugbetrieb erleichtern, wenn Lokführer/innen und Infrastrukturbetreiber/innen sowie Zugpersonal und Bahnhofsmanager/innen in der Lage wären, auf Englisch zu kommunizieren. Sozialdumping sollte durch Tarifabschlüsse und Manteltarifverträge vermieden werden, nicht durch sprachlichen Anforderungen.
Um Pünktlichkeit und höhere Geschwindigkeiten in der Nacht zu gewährleisten, müssen Nachtzüge die bestehenden Hochgeschwindigkeitsstrecken in der Nacht nutzen können.
Unsere kurzfristigen Forderungen:
- Investitionen in die TEN-V-Eisenbahnkorridore, um Geschwindigkeiten von 160 bis 200 km/h (oder 230 km/h, wenn möglich) auch während der Nacht zu gewährleisten, damit auch Strecken jenseits von 2.000 km mit Nachtzügen bedient werden können.
- Nachtzüge und andere internationale Züge müssen bei der Ankunft in den Hauptbahnhöfen am Morgen Vorrang beim Zugang zu den Zugtrassen haben.
- Bei der Passkontrolle beim Grenzübertritt muss es möglich sein, dass die Behörden mit dem Zugpersonal zusammenarbeiten, um die Pässe aufzubewahren, damit die Fahrgäste nicht mitten in der Nacht geweckt werden.
Verbindungen finanzieren, wo dies erforderlich ist
Unser langfristiges Ziel:
Wir wollen allen europäischen Bürgerinnen und Bürgern den gleichen Zugang zum Schienenverkehr im Verhältnis zur Bevölkerungsdichte ermöglichen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, entfernte Regionen unseres Kontinents in angemessener Zeit im Schlaf zu erreichen.
Unsere kurzfristigen Forderungen:
- Bis 2030 sollte die Europäische Kommission fehlende oder unzureichende Verbindungen in einem Nachtzug-Zielnetz ausschreiben, das bis 2026 auf der Grundlage bestehender Vorschläge festgelegt werden soll, um ein umfassendes und erschwingliches Netz von Langstrecken-Nachtzugverbindungen in alle Regionen Europas zu schaffen.
- Im Falle eines reinen Transits ohne Zwischenstopps sollte die Anforderung der Verhältnismäßigkeit der Subvention nicht für die Nachtzugstrecke des Transitlandes gelten, so dass dieser Teil der Nachtzugfahrt von jedem Nachbarland subventioniert werden kann.
- Wenn ein oder mehrere Länder einen internationalen Nachtzug subventionieren wollen und nicht alle zuständigen Behörden auf der Strecke der Subventionierung zustimmen, können sie dennoch kommerzielle Halte im Transitland anbieten, sofern die Verhältnismäßigkeit ihrer Subventionierung nach dem Grundsatz der Proportionalität zur Herkunft der Fahrgäste, die bedient werden, von der ERA bestätigt wird.
Förderung von Nachtzügen
Unser langfristiges Ziel:
Eine App, um die gesamte Reise zu finden und zu buchen: Eine voll funktionsfähige, standardisierte Buchungs-App würde nicht nur die Suche und Buchung von internationalen und nationalen Zugreisen erleichtern, sondern auch dazu beitragen, den Einsteige- und Bestellprozess zu automatisieren und damit die Effizienz der Nachtzüge weiter zu verbessern. Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, dass ein Standard von mehreren Marktteilnehmern entwickelt wird, ebenso wie genaue, zuverlässige Informationen. Anstatt darauf zu warten, dass andere dieses Problem lösen, sollte die EU-Kommission selbst eine europäische multimodale Verkehrsanwendung für die Suche und Buchung bereitstellen, die mit den nationalen Zugangsstellen (NAPs) für Verkehrsdaten zusammenarbeitet und möglicherweise auf bestehenden Lösungen basiert (um keine Zeit zu verlieren). Transparenz ist eine Voraussetzung für jeden gut funktionierenden Markt. Front-End- und Zusatzdienste könnten von verschiedenen Marktteilnehmern angeboten werden.
Unsere kurzfristigen Forderungen:
- Die EU muss dafür sorgen, dass alle nationalen Zugangsstellen in Europa sofortigen Zugang zu Informationen über alle Personenzüge, Schiffe und andere öffentliche Verkehrsmittel bieten, einschließlich Echtzeitinformationen für Fahrgäste über Verspätungen bei Zügen oder über Umsteigeverbindungen mit der schnellsten und bequemsten Alternativverbindung, möglicherweise auch für Busse, wenn dies die beste Alternative für eine Umsteigeverbindung ist.
- Fahrkartenverkäufer sollten in der Lage sein, alle Arten von Fahrkarten zu verkaufen und somit Zugang zu allen Rabatten haben, die die Betreiber mindestens vier Monate im Voraus eingeführt haben. Wenn sie von den Betreibern entlohnt werden sollen, müssen sie sich im Gegenzug verpflichten, alle Arten von Fahrkarten und Produkten (wie Liege- und Schlafwagenkabinen) zu verkaufen, einschließlich komplexerer Buchungsoptionen (wie ganze Abteile oder Abteile nur für Frauen usw.).
- Die EU sollte die gegenseitige freiwillige HOTNAT-Umbuchungsvereinbarung zu einer verbindlichen Vereinbarung für alle Zugbetreiber machen.