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DB Netz hat etwas übrig für Nachtzüge.

Gleisanlage von schräg oben.
Im ab 2024 gültigen Trassenpreissystem von DB Netz (der deutsche Bahn-Infrastrukturbetreiber) versteckt sich ein kleines Goodie für Nachtzüge.

Foto: „Bunte Gleise“ CC-BY-SA 3.0 Sebastian Sooth (sebaso)

Zuerst die schlechte Nachricht: die landläufig auch „Schienenmaut“ genannten Trassenpreise für den Personen-Fernverkehr werden insgesamt um 3,6% angehoben – nicht sonderlich überraschend angesichts einer Vorjahres-Inflation von 8%. Diese Erhöhung gilt zu unserem Bedauern auch für Nachtzüge, denn da macht die DB Netz leider keinen Unterschied, obgleich in 10-16 Stunden einmal täglich 800-1800 km überwindenden Nachtzüge eigentlich ein ganz anderes Marktsegment darstellen, als die in 4-6 Stunden mehrmals täglich 600-800 km bedienenden ICE Züge.

Dafür gilt für Nachtzüge, definiert als Züge, die mindestens einen Schlaf- oder Lieferwagen mitführen und den Zeitraum von 23:00-06:00 Uhr komplett durchfahren (gilt selbstverständlich auch für den nicht-deutschen Streckenanteil) ab 2024 eine Ausnahme: Für sie und nur für sie gilt der Nachttarif für die gesamte Fahrt. Sieht die DB Netz vielleicht doch die immer noch existierenden Nachtzüge doch als so etwas wie ein Segment an? Bisher durften sie den Nacht-Tarif wie alle anderen nur zwischen 23:00 und 06:00 und vom letzten bis zum ersten regulären Halt in Anspruch nehmen.

Ab 79,- Euro gibt es einige wenige Liegeplätze im European Sleeper. Günstiger wird es wohl nicht.
Foto: CC-BY-SA Patrick Neumann/back-on-track.eu

Werden Nachtzüge dadurch nun billiger und wettbewerbsfähiger? Jein. Für auf das bisherige deutsche Trassenpreissystem optimierte Nachtzug-Verläufe hat die neue Regelung leider keine Auswirkung. So fährt der European Sleeper, der Berlin seit Mai 2023 mit Brüssel verbindet auch bisher nicht außerhalb des Nachttarifs. Für die junge Genossenschaft aus den Niederlanden hat die DB Netz daher nur die Preiserhöhung um 3,6% übrig. Die gilt auch für den Snälltåget aus Stockholm, der Hamburg bisher – sicherlich bewusst – vor 06:00 anfährt, womit der Rest der Reise nach Berlin noch in den Nachttarif fällt. Hier bietet das neue System aber zumindest die Hoffnung für Passagiere, die in Hamburg aussteigen wollen, dass Snälltåget sich hier bald attraktivere Ausstiegszeiten leisten kann. Etwas günstiger könnte es dagegen beispielsweise für den Nightjet von Wien nach Brüssel werden. Wenn dieser auf der Hinfahrt zwischen Bonn und Aachen nicht mehr den höheren Basistarif bezahlen muss, sinken die Kosten des deutschen Streckenanteils für Hin-und Rückfahrt um knapp 5%, was pro Ticket leider aber nicht einmal einen Euro ausmacht. Mit Preissenkungen ist auch hier also nicht zu rechnen.

Einen wirklichen Unterschied könnte die Sonderregelung für Nachtzüge machen, die es aus guten Gründen noch nicht gibt, weil sie sich bislang auch aufgrund des Trassenpreissystems nicht rentierten. So könnte sich ein Nachtzug Berlin-Rom nunmehr etwas besser rechnen, wenn nicht mehr bis und ab dem ersten Halt hinter München (z.B. Ingolstadt oder Nürnberg) der Basistarif anfällt. Unseren Berechnungen zufolge senkt das neue Modell die Trassenkosten einer solchen Strecke um knapp 15%. Bei einem neuen Nightjet mit 256 Plätzen und 80% durchschnittlicher Auslastung wären das immerhin schonmal knapp 4€ mehr Spielraum pro Ticket. Für bisher schon knapp rentable Strecken dürfte das die Rechnung verbessern. Es ist daher vielleicht kein Zufall, dass die ÖBB ihre neuen Deutschland durchquerenden Nachtzüge Berlin-Brüssel und Berlin-Paris mit Inkrafttreten der günstigeren Streckenmaut in Betrieb nimmt. Auf jeden Fall wird der durchgängige Nachttarif aber bei der Verlängerung existierender Angebote helfen: der Nightjet München-Rom fährt ja bereits.

Noch eine gute Nachricht: Die DB Netz hat auch nachgerechnet, wie hoch denn der Anteil der direkten Kosten am Zugverkehr eigentlich ist. Das sind die reinen Kosten für Betrieb und Wartung des Schienensystems, umgelegt auf die Zahl der Züge, also ohne eine Umlage der ursprünglichen Investitionskosten. Auch weil das deutsche Netz inzwischen an seinen Kapazitätsgrenzen operiert ist dieser Anteil mit dem neuen Trassenpreissystem drastisch gesunken, von 1,50 € / km auf 1,07€ /km. Damit rücken die deutschen Grenzkosten ins europäische Mittelfeld. Das bedeutet aber auch: der Spielraum von DB Netz hat sich offenbar erhöht.

Gute Voraussetzungen für unsere Forderung: Mit einer Absenkung der Trassenpreise für das Nachtzugsegment auf die Höhe der direkten Kosten die Wettbewerbsfähigkeit von Nachtzügen spürbar zu verbessern und das Angebot damit perspektivisch für breitere Bevölkerungsschichten zu öffnen!