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Neue Studie bestätigt Klimaschutzpotenzial von Nachtzügen

In der Studie „Betrachtung der ökologischen und sozialen Gesamtbilanz des Nachtzugverkehrs auf der Schiene im inter- und intramodalen Vergleich“ hat die Beratungsagentur Rambøll das von Back-on-Track im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr berechnete Klimaschutzpotenzial eines erweiterten Nachtzugnetzes untersucht.

Im September 2022 stellte Back-on-Track den Bericht „The Global Warming Reduction Potential of Night-Trains“ gleichzeitig mehreren europäischen Verkehrsministerien vor, darunter auch dem deutschen Verkehrsministerium. Auf der Grundlage von Daten der IEA und Back-on-Track’s eigenen Hypothesen errechnete die freiwillige Studie, dass ein Nachtzug in Europa im Durchschnitt 28 Mal weniger Treibhausgase produziert als ein Flugzeug.

Auf der Grundlage von Daten unserer französischen Gruppe berechnete die Studie auch die Zahl der Flugpassagiere auf Strecken in Europa, die durch Nachtzüge ersetzt werden könnten, und ging davon aus, dass unter idealen Bedingungen 69% der Flugpassagiere auf Nachtzüge umsteigen würden, wie zuvor in Umfragen ermittelt. Auf dieser Grundlage wurde die Anzahl der Passagierkilometer berechnet, die auf Nachtzüge verlagert werden könnten. Back-on-Track bezifferte die Klimaauswirkungen eines konsequenten Ausbaus des europäischen Nachtzugnetzes mit einem Reduktionspotenzial von 3% der gesamten Treibhausgasemissionen der EU, wenn die notwendigen politischen Entscheidungen getroffen werden.

Im selben Jahr gab das deutsche Verkehrsministerium eine Studie in Auftrag, um das ökologische und soziale Potenzial von Nachtzügen noch einmal streng wissenschaftlich zu ermitteln. Die Ergebnisse wurden am 31. März 2025 im Beisein einer kleinen Gruppe ausgewählter Interessenvertreter vorgestellt.

Während die Back-on-Track-Studie das maximale Potenzial für Europa untersucht hatte, bestand die Aufgabe der Auftragsforscher von Rambøll darin, das tatsächliche Potenzial von Nachtzügen zu untersuchen, die in Deutschland ankommen, von dort abfahren oder durch Deutschland fahren, und zwar sowohl unter bestehenden als auch unter verbesserten Bedingungen. Darüber hinaus sollten auch die Emissionen für den Betrieb der von den Verkehrsträgern genutzten Infrastruktur und für den Fahrzeugbau einbezogen werden. Back-on-Track verwendete Well-to-Wheel-Daten, die zwar die Emissionen für die Kraftstoffherstellung und den Transport berücksichtigen, aber nicht die Emissionen für die Infrastruktur und den Fahrzeugbau.

Selbst im Jahr 2023 waren Nachtzüge rund 28 Mal weniger klimaschädlich als Flugzeuge

Deren Einbeziehung ändert das Bild jedoch kaum. Verglichen mit einem Well-to-Wheel-Ansatz verursachen Nachtzüge 21 % zusätzliche Emissionen für Infrastruktur und Fahrzeuge, während der Flugverkehr nur 2,63 gCO2e/pkm(UBA, S.38), also etwa 1 %, hinzufügt. Die Rambøll-Studie errechnet demnach 21 gCO2e/pkm (S. 94) für Nachtzüge in Deutschland. Back-on-Track errechnete 14 gCO2e/pkm, allerdings für ganz Europa, basierend auf den IEA-Werten von 2019. Zum Zeitpunkt der Studie (2023) lagen die zuletzt erfassten Emissionen im deutschen Strommix bei 329 gCO2/kWh, dem 1,56-fachen des EU-Strommixes von 210 gCO2/kWh. Der Wert von 21 gCO2e für Deutschland entspräche also etwa 13,4 gCO2e für ganz Europa zu diesem Zeitpunkt. Die 14 gCO2e/kWh, die wir berechnet haben, würden 2023 also bereits die Emissionen für die Infrastruktur und den Fahrzeugbau beinhalten.

Eine weitere Abweichung ist die Wahl eines EWF-Faktors von 2,1 für die Berechnung der Nicht-CO2-Effekte. Hier entschied sich Rambøll, ab 2020 mit den „konservativeren“ Werten des Umweltbundesamtes zu arbeiten und gegen neuere Studien. Das Umweltbiundesamt hat den Faktor 2,1 noch kurz vor Erscheinen der Studie auf 4,3 (für 2023) korrigiert. Mit einem EWF-Ansatz auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft würde die Berechnung auf der Grundlage des Treibstoffverbrauchs im Jahr 2019 zu Flugemissionen von 388 gCO2/pkm statt 197,51 CO2e/pkm kommen, ähnlich wie bei Back-on-Track. Unter Berücksichtigung einer jährlichen Effizienzsteigerung von rund 1,4 % wären dies 368 gCO2e/pkm im Jahr 2023, das 27 1/2-fache der entsprechend berechneten zusätzlichen Nachtemissionen.

Reduktionspotenzial: 3% bleibt eine Vision, 0,3% ist machbar

Das Gesamtpotenzial für die Verringerung der Treibhausgasemissionen wurde dagegen deutlich geringer eingeschätzt als bei Back-on-Track, mit einem zusätzlichen Einsparpotenzial von 0,2 Mt CO2e unter den gegebenen Rahmenbedingungen und bis zu 2,3 Mt CO2e unter optimierten Rahmenbedingungen.

Der veraltete EWF-Faktor müsste zunächst durch den aktuellen ersetzt werden. Wenn der Anteil des Treibstoffverbrauchs an den Flugemissionen mit dem Faktor 4,3 statt 2,1 multipliziert wird, beträgt das zusätzliche Einsparpotenzial 0,4 Mt CO2e und bis zu 4,4 Mt CO2e unter optimierten Rahmenbedingungen. Die Hälfte davon würde auf Deutschland entfallen. Dies entspräche einem Anteil an den derzeitigen deutschen THG-Emissionen von 649 Mt CO2e von 0,03 % bis 0,3 % der jährlichen Emissionen, selbst am oberen Ende nur ein Zehntel der von Back-on-Track versprochenen bis zu 3 %. Dies ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, die in der Rambøll-Studie konservativer angesetzt waren.

Entfernungsgrenze von 1.500 km halbiert das Gesamtpotenzial

Die maximal realisierbaren Entfernungen wurden in der Studie auf 1.500 km begrenzt. Back-on-Track arbeitete ebenfalls mit einer Grenze von 1.500 km für konventionelle Nachtzüge, berücksichtigte aber auch das Potenzial von Hochgeschwindigkeitsnachtzügen oder alternativ mehrtägigen Nachtzügen über eine Entfernung von bis zu 2.700 km. Dadurch hat sich das Potenzial an verlagerbaren Personenkilometern verdoppelt.

Die derzeitige Zugtechnologie begrenzt das Transferpotenzial auf 30%

Back-on-Track arbeitete mit idealen Bedingungen, d.h. mit neuartigen Nachtzügen, die ein ideales Maß an Komfort, Laufruhe, Privatsphäre, Platz und Sicherheit bieten, nach 18 Uhr abfahren und vor 10 Uhr morgens ankommen und nicht teurer sind als ein Flug auf der gleichen Strecke. Aus diesem Grund haben wir in unserer Studie mit der Gesamtheit derjenigen Flugpassagiere gearbeitet, die sicher oder wahrscheinlich umsteigen würden, um das maximale Potenzial zu ermitteln. Rambøll hingegen ging von relativ langsamen Nachtzügen herkömmlicher Bauart aus, die überwiegend mit Liegewagen ausgestattet sind, die keine Privatsphäre und nur begrenzte Sicherheit bieten. Unter diesen Real-Bedingungen ist die Annahme eines maximalen Umsteigerpotenzials von 30% der Fluggäste sicherlich Nachvollziehbar. Im Gegensatz dazu würde die Annahme neuartigen Wagenmaterials ein 2,3-fach höheres Passagierpotenzial rechtfertigen.

Falsche Vorstellungen über die Wettbewerbsfähigkeit begrenzen das Streckenpotenzial

Der verbleibende Unterschied lässt sich durch die Annahmen über die wirtschaftliche Effizienz erklären. Die Studie geht davon aus, dass Nachtzüge bereits heute wettbewerbsfähig sind und sah daher keine Notwendigkeit, den Regulierungsrahmen für Nachtzüge durch eine Senkung der Trassenpreise und eine Harmonisierung der Mehrwertsteuer auf Zug- und Flugtickets zu verbessern. Die Preisspanne der Billigfluglinien, auf die sich die Annahme stützt, basiert jedoch auf einer einzelnen Momentaufnahme aus dem Jahr 2023, deren Daten inzwischen überholt sind. Dieser Aussage in der Studie wurde auch von den bei der Präsentation anwesenden Interessengruppen vehement widersprochen. Unter der Voraussetzung der Schaffung günstigerer Rahmenbedingungen im Rahmen einer eigenen, vom Fernverkehr entkoppelten Verkehrskategorie für Nachtzüge, wie sie inzwischen von verschiedenen Verbänden gefordert wird, wäre es vermutlich möglich, einen größeren Teil der Strecken wirtschaftlich zu betreiben. Ohne die Veröffentlichung von Daten zur Relevanzbewertung potenzieller Strecken ist es jedoch nicht möglich, genau zu bestimmen, in welchem Umfang.

Fazit:

Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft bestätigt die Studie unsere Aussage, dass – selbst unter Berücksichtigung der Emissionen, die auf die Infrastruktur und den Fahrzeugbau zurückzuführen sind – Nachtzugreisen 28 Mal weniger klimaschädlich sind als Reisen mit dem Flugzeug. In Bezug auf das Potenzial zur Emissionsreduzierung schlägt die Studie vor, zunächst eine realistische Emissionsreduzierung von 0,3 % anzustreben, die mit den bestehenden Netzkapazitäten erreichbar ist. Die in der Studie nicht berücksichtigten Faktoren liefern jedoch gute Gründe, an der Vision einer 3 %igen Emissionsreduzierung festzuhalten und die notwendigen Verbesserungen zu fordern.